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Armin Risi
Philosoph • Autor • Referent
Radikal umdenken – neue Wege und Weltbilder

Weitere Zitate von Agatha Christie zu den Hintergrundmächten

Agatha Christie: Postern of Fate

von Armin Risi (April 2008)

Im Buch Machtwechsel auf der Erde faßte ich zu Beginn von Kapitel 3 („Die geheimen Mächte hinter der Weltpolitik“) als Einführung in dieses weite Thema ein vielsagendes Buch von Agatha Christie zusammen, den Kriminalroman Die Großen Vier. Agatha Christie (eigentl. Clarisse Miller, 1890–1976) veröffentlichte diesen Roman neun Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges. Ihr Vorteil war, daß sie über jüngste historische Ereignisse schreiben konnte, ohne Historikerin sein zu müssen. Sie stammte aus der High Society des britischen Empires, weshalb sie zahlreiche Personen kannte, die einen direkten Einblick hinter die Kulissen der Weltpolitik hatten. In der Nach- bzw. Zwischenkriegszeit, als sie mit ihren ersten Romanerfolgen bekannt wurde, waren die Ereignisse in Rußland und der Erste Weltkrieg das Hauptgesprächsthema, denn diese noch frischen Eindrücke waren schauerlicher als alles bis dahin Gekannte. So kam auch der jungen Erfolgsautorin Agatha Christie zu Ohren, daß es verschworene Organisationen gibt, die bei ihren Machenschaften über Leichen gehen. Man erzählte sich auch, es werde nicht bei diesem einen Krieg bleiben; dieselben Mächte hätten auch einen zweiten Weltkrieg geplant, ja sogar einen dritten. Die Botschaft war heikel, und deshalb bot ein Roman die ideale äußere Form, um die Menschen vorsichtig für gewisse Wahrheiten zu sensibilisieren.

Agatha Christie wollte ihre Position verwenden, um die Welt auf diese Gefahr aufmerksam zu machen. Und so schrieb sie einen Roman über die internationale Verschwörung eines Netzwerkes, dem sie den fiktiven Namen Die Großen Vier gab.

Was die 35jährige Agatha Christie über dieses Thema wußte und bereits damals der Öffentlichkeit durch ihren Roman verriet, ist erstaunlich.

Agatha Christies letzter Roman

Die Großen Vier war einer der ersten Romane von Agatha Christie. Das Wissen um die Existenz der dunklen Hintergrundmächte beschäftigte sie aber während ihres ganzen Lebens. Eine Leserin von Machtwechsel auf der Erde machte mich nun darauf aufmerksam, daß Agatha Christie dieses Thema in ihrem allerletzten Roman, Postern of Fate, nochmals aufgegriffen hat, und zwar mit überraschend deutlichen Worten. Dieser Roman erschien 1973, drei Jahre vor ihrem Tod.

Postern of Fate bedeutet wörtlich „Hintertür des Schicksals“. Diesen Titel entlehnte Agatha Christie einem Gedichtfragment von James Elroy Flecker, Gates of Damascus:
Vier große Tore hat die Stadt Damaskus:

Die Hintertür des Schicksals (Postern of Fate)
Das Tor zur Wüste (The Desert Gate)
Die Höhle des Unglücks (Disaster’s Cavern)
Das Fort der Angst (Fort of Fear).

Durchziehe sie nicht, o Karawane.
Solltest du es dennoch tun, so singe keine Lieder.
Kennst du jenes Schweigen, in dem alle Vögel tot sind
– und dennoch ist da etwas, das wie ein Vogel zwitschert?
Diese Zeilen setzte Agatha Christie wie als Motto an den Anfang des Buches, und durch das ganze Buch hindurch kommt es immer wieder zu (versteckten oder zitierten) Andeutungen auf dieses Gedicht. Nur schon die Wahl des Titels mit dem Verweis auf diese kryptischen Gedichtzeilen verrät, daß Agatha Christie hier mehr als nur einen Kriminalroman schreiben wollte. (Die deutsche Übersetzung dieses Romans trägt den etwas dümmlichen Titel Alter schützt vor Scharfsinn nicht.)

Die dramatische Einführung verwundert zunächst ein wenig angesichts der mäßig spannenden Abenteuergeschichte des bejahrten Ehepaares Tommy und Tuppence Beresford – beide sind ehemalige Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes im Ruhestand. Ein hübsches altes Häuschen auf dem Lande soll ihnen als idyllischer Altersruhesitz dienen, doch kaum sind sie eingezogen, findet Tuppence in einem alten Kinderbuch aus dem übernommenen Inventar des Hauses eine codierte Mitteilung des Inhalts, daß eine gewisse Mary Jordan keines natürlichen Todes gestorben und der Mörder „einer von uns“ gewesen sei. Die beiden machen sich auf die Suche nach Mary Jordan, wodurch sie mitten hinein in die Wirren der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg mit ihren Spionageaffären und politischen Verwicklungen geraten.

Natürlich sind die beiden sympathischen alten Herrschaften mit ihren Recherchen und Aktionen am Ende auf der ganzen Linie erfolgreich und erweisen ihrem Heimatland einen großen Dienst. Ende gut, alles gut.

Die Geschichte ist nicht wirklich interessant, aber manchmal stößt man auf Textstellen, die bewirken, daß man unwillkürlich die Ohren spitzt. Nach dem etwas monotonen Dahinplätschern der Handlung erscheinen sie mit ihren merkwürdigen Abstraktionen, starken Ausdrücken und Wiederholungen von ungewohnter Suggestivkraft, wie sie eigentlich nicht in dieses Buch passen. Sie sind in wörtlicher Rede gehalten, was diesen Eindruck noch verstärkt. So besucht Tommy im Rahmen seiner Nachforschungen in London einen gewissen Colonel Pikeaway, der in dem Ruf steht, ein exzellenter Kenner der politischen und geheimpolitischen Szene zu sein – stets am Puls der Zeit und mit weitreichenden Insiderkenntnissen. Von ihm erfährt er – in verschlüsselten Andeutungen, manchmal aber auch ganz offen – von einem geheimnisvollen ideologischen Einfluß, der bereits seit Jahrhunderten hinter den Kulissen des täglichen politischen Lebens wirke und für Revolutionen, Unruhen und Kriege mitsamt den nachfolgenden Friedensverträgen verantwortlich zeichne. Ziel dieses Einflusses sei es, den Lauf der Menschheitsgeschichte durch den Einsatz von Macht und unbeschränkten Geldmitteln in einen ganz bestimmten Kurs zu bringen. An einer Stelle sagt Colonel Pikeaway zum Beispiel:
„Nun, wenn Sie herausfinden wollen, was in diesem Land und auf der ganzen Welt falsch läuft, so ist das nicht einfach. Der Gemeinsame Markt ist eine gute Sache. Wir alle wollen, brauchen einen Gemeinsamen Markt. Aber es muß ein wirklicher gemeinsamer Markt sein. Das muß ganz klar gesagt werden! Wir wollen ein Vereinigtes Europa – eine Union zivilisierter Länder mit zivilisierten Vorstellungen und zivilisierten Prinzipien …“
„… Il faut cultiver son jardin“, bemerkte Colonel Pikeaway, mit einem recht plötzlichen Vorstoß auf die französische Sprache. „Ich bemühe mich, mein Französisch aufzufrischen“, erklärte er. „Wir müssen uns heutzutage an den Gedanken an einen Gemeinsamen Markt gewöhnen, nicht wahr? Übrigens: ziemlich merkwürdiges Zeug ist in diesem Zusammenhang im Gange. Hinter den Kulissen – wissen Sie. Nichts, was an der Oberfläche sichtbar wäre …“
„Die Menschen wollen keine Gleichmacherei in der Welt. Sie wollen, daß die Starken den Schwachen beistehen, daß die Reichen die Armen unterstützen. Sie wollen zu den Ehrlichen und Guten aufblicken können und sie bewundern. Die Finanzen! Immer und überall geht es nur immer wieder um Finanzen. Was sie bewirken, auf welches Ziel sie gerichtet sind, was damit verfolgt wird, wie tief verborgen ihre letztendlichen Zwecke sind. Es gab Menschen, wissen Sie, Menschen in der Vergangenheit, die Macht und Intelligenz besaßen, und über eben jene Macht und Intelligenz verschafften sie sich Geld. Einige ihrer Aktivitäten waren geheim, und wir müssen versuchen, etwas über sie herauszufinden: an wen diese Leute ihre Geheimnisse weitergegeben haben, was aus ihnen geworden ist und wer heute mit ihnen arbeitet …“
„Es gab gewisse Geheimnisse, wissen Sie. Es hat immer Geheimnisse gegeben, die viel Geld wert waren. … Wir meinen immer, wir wüßten alles, was es zu wissen gibt, nach alldem, was wir durchgemacht haben: Kriege, Unruhen, Friedenszeiten, neue Regierungsformen. Wir glauben, über all das genau Bescheid zu wissen. Aber tun wir das wirklich? Wissen wir z. B. alles über biologische Kriegführung, über Giftgase, über die Möglichkeiten, Krankheiten breitflächig und auf künstlichem Wege zu erzeugen? Die Chemiker hüten ihre Geheimnisse ebenso wie die Mediziner, das Militär – die Marine, die Luftwaffe – alle diese Dinge. Nicht alle davon entstammen der Gegenwart, einige wurzeln in der Vergangenheit. Einige standen kurz vor ihrer letztendlichen Entwicklung, doch dann wurde nichts daraus, da die nötige Zeit fehlte. Aber sie wurden niedergeschrieben und auf Papier festgehalten oder an bestimmte Leute weitergegeben, und diese Leute hatten Kinder, und diese Kinder wiederum bekamen ihrerseits Kinder – und so kann es sein, daß gewisse Dinge bis in unsere Zeit hinein weiter bestanden haben – in Form von Testamenten und Dokumenten, in den Tresoren von Rechtsanwälten – nur um zu einer ganz bestimmten Zeit wieder hervorgeholt zu werden …“
„In den verschiedensten Ländern, an den verschiedensten Orten – in Kriegen wie in Vietnam, in Guerilla-Kriegen, in Jordanien und Israel – ja selbst in jenen Staaten, die nicht in Kriege involviert sind wie Schweden oder die Schweiz –, überall gibt es jene Dinge, und wir suchen nach Hinweisen, um sie aufzudecken. Und es gibt gute Gründe zu der Annahme, daß einige dieser Spuren bis in die Vergangenheit hinein reichen …“
„Wir haben seit einiger Zeit das Gefühl, daß sich das Auftauchen einiger neuer Erfindungen, wie z. B. die bakteriologische Kriegführung, nur sehr schwer erklären läßt, es sei denn durch irgendeinen geheimen Entwicklungsprozeß, der vor der Öffentlichkeit als unwichtig hingestellt wurde, aber keineswegs so unwichtig war. Jemand, in dessen Hände die Sache gerät, nimmt ein paar Veränderungen vor, die zu äußerst erschreckenden Resultaten führen können. Es gibt Dinge, die den menschlichen Charakter verändern und möglicherweise einen guten Menschen in ein Monster verwandeln können, und das für gewöhnlich immer nur aus demselben Grund: für Geld. Für Geld, und dafür, was man mit Geld erwerben kann, was Geld bewirken kann. Die Macht, die Geld ermöglicht. Nun, junger Beresford, was sagen Sie zu alledem?“

„Ich denke, das sind reichlich erschreckende Aussichten“, sagte Tommy.

(…) „Oh ja. Aber glauben Sie, daß ich Unsinn rede? Glauben Sie, das sind nur die kindischen Phantasieprodukte eines alten Mannes?“

„Es gibt jemanden … eigentlich ist es nicht nur ein Jemand, sondern mehrere Personen, die sehr wahrscheinlich hinter diesen Dingen stecken. Vielleicht gelingt es uns herauszufinden, wer sie sind, doch selbst, wenn wir das nicht können, ist es uns möglicherweise doch vergönnt, etwas über die Dinge zu erfahren.“

„Ja“, antwortete Tommy, „ich verstehe – zumindest beinahe.“

„Wirklich? Und sie glauben nicht, das, was ich Ihnen gesagt habe, sei alles blanker Unsinn, phantastisches Zeug?“

„Ich glaube, es gibt nichts, was zu phantastisch ist, um nicht doch wahr zu sein“, sagte Tommy. „Das habe ich im Lauf eines langen Lebens letztendlich gelernt. Die erstaunlichsten Sachen sind wahr – Dinge, die man eigentlich kaum glauben kann.“

(Übersetzungen direkt aus dem englischen Buch; wir stellten keinen Vergleich mit der deutschen Ausgabe an.)
Colonel Pikeaway spricht ausführlich über die Rolle der Großfinanz und der Banken und erwähnt dunkle Verknüpfungen der heutigen Wissenschaft und Forschung (Chemieindustrie, Medizin) mit militärischen Einrichtungen und deren vielfältigen Verknüpfungen. Er spricht über die Macht der Ideen, die zwar zu einer bestimmten Zeit von jenen Planern der Weltgeschichte aufgrund fehlender Voraussetzungen nicht realisiert werden können, im geduldigen Schoß der Zeit jedoch so lange schlummern, bis veränderte Rahmenbedingungen schließlich ihre Umsetzung ermöglichen – und das mit oftmals „erschreckenden Resultaten“.

Man kann förmlich spüren, welch großes Gewicht Agatha Christie diesen Passagen ihres Buches gibt. Man bekommt fast den Eindruck, sie habe es nur dieser Abschnitte wegen geschrieben. Die Aussagen Colonel Pikeaways scheinen ihr ein persönliches Anliegen zu sein, das sie auf diesem Wege mitzuteilen suchte – eine Art Vermächtnis an ihre Leser am Ende ihres Lebens. Zwangsläufig wird man dabei an eines ihrer ersten Bücher erinnert, den Hercule Poirot-Krimi Die Großen Vier, erschienen 1927. Ein zeitlicher Abstand von beinahe 50 Jahren liegt zwischen diesen beiden Romanen, aber der Tenor – eine deutlich warnende Stimme – ist derselbe geblieben.

Interessant in diesem Zusammenhang ist der Name des Colonel Pikeaway, denn diesen Namen gibt es nicht. Es ist ein von Agatha Christie konstruierter Phantasiename, der jedoch eine offenkundige Bedeutung hat. Er setzt sich aus Pike und away (weg, fort, raus) zusammen, wobei mit „Pike“ niemand anderer gemeint sein kann als der amerikanische Hochgradfreimaurer, Magier und Großmeister des „Alten und Angenommenen Schottischen Ritus“ Albert Pike (1809–1891). Der Name Pikeaway bedeutet demnach: Pike – raus! – was eine überraschend klare persönliche Stellungnahme Agatha Christies zu Pikes Organisation und Pikes „Vermächtnis“ darstellt. (Im Zusammenhang mit Pike wird oftmals ein Brief bzw. eine Logen-Instruktion erwähnt, die bereits im 19. Jahrhundert die ersten zwei Weltkriege skizzierte – mit genau den Ergebnissen, die im 20. Jahrhundert dann erreicht wurden. Zu Pikes Plänen gehört auch ein dritter Weltkrieg.)

Offenbar wußte Agatha Christie von diesen Plänen und hoffte vielleicht, durch ihre Romane ein positives Resonanzfeld zu schaffen, indem sie immer wieder dieselben Muster durchexerzierte, nämlich daß jedes Verbrechen und jede Lüge und jede noch so perfide Intrige letztlich auffliegt und ans Licht kommt.

Legt man diese Überlegungen zugrunde, wird klar, daß der Hinweis auf jenes so düstere östliche Tor von Damaskus, die „Hintertür des Schicksals“ – dieser Hinweis steht wie eine Art Motto an exponierter Stelle am Anfang des Buches –, durchaus berechtigt ist. Die „Karawane“ sollte dieses „Tor“ vermeiden. Läßt sich dieses Tor nicht vermeiden, und muß die „Karawane“, d. h. die Menschheit, ohne andere Wahl durch diese „Hintertür des Schicksals“ hindurch, sollte dies in schweigender Aufmerksamkeit geschehen, um in der scheinbar leblosen Welt das leise Vogelgezwitscher aus einer anderen Welt vernehmen zu können:
Durchziehe sie nicht, o Karawane.
Solltest du es dennoch tun, so singe keine Lieder.
Kennst du jenes Schweigen, in dem alle Vögel tot sind
– und dennoch ist da etwas, das wie ein Vogel zwitschert?

Neues Buch von Armin Risi