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armin-risi.ch · Triskele
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Armin Risi
Philosoph • Autor • Referent
Radikal umdenken – neue Wege und Weltbilder

Interview I

Hölderlins Bedeutung heute

TV-Interview mit Armin Risi, Offener Kanal Berlin, 30.10.1993

Risi, Armin – Da ich ein Dichter war · Reinkarnation – Gedanken, Gedichte und eine Begegnung mit Hölderlin (1995)
Moderatorin: 1993 ist Friedrich Hölderlins 150. Todesjahr. 1843 starb er, 73-jährig, einsam, unverstanden und für verrückt erklärt. Während seines Lebens und fast hundert Jahre nach seinem Tod war er praktisch unbekannt. Heute wird er zu den größten und genialsten Dichtern der deutschen Literatur, ja der Weltliteratur gezählt, obwohl er sehr selten gelesen wird, da er sehr schwer zu verstehen ist.

Wer war dieser geheimnisvolle Dichter, Friedrich Hölderlin?

Als Studiogast begrüßen wir heute Armin Risi aus der Schweiz. Er ist Indologe, Dichter und Hare-Kṛṣṇa-Mönch und ein profunder Kenner der hölderlinschen Dichtung. Im Rahmen seiner ausgedehnten Hölderlin-Vortragsreise durch Deutschland befindet er sich gegenwärtig in Berlin, und wir freuen uns, daß Armin Risi heute Abend zu uns ins Studio gekommen ist.

Armin, du bist Mönch und beschäftigst dich mit deutscher Dichtung. Warum?

A.R.: Es mag außergewöhnlich sein, Mönch zu werden, vor allem noch indischer Mönch. Bei mir war es eine natürliche Entwicklung in meinem spirituellen Leben, weil ich mich vertiefter mit Gott und mit Spiritualität beschäftigen wollte. Mit deutscher Literatur beschäftige ich mich, weil ich mich damit schon beschäftigt habe, bevor ich Mönch wurde. Ich finde in der Literatur viele Menschen, die sich mit diesen Themen beschäftigt haben, und so sehe ich zwischen Mönchsleben und Literatur einen großen Zusammenhang.

Aber wieso gerade Hölderlin? Hätte es nicht auch ein anderer Dichter sein können?

Bestimmt. Es gibt viele Dichter, die diese Themen anschneiden. Ich persönlich fand bei Hölderlin eine tiefe und einzigartige Spiritualität, und deswegen habe ich mich eingehender mit ihm befaßt.

Du bist noch ziemlich jung. Mönche habe ich mir immer etwas älter vorgestellt. Wie und warum wird ein Schweizer Gymnasiast Mönch?

Mönche müssen nicht unbedingt immer alt und ausgestorben sein. Es gibt auch junge Mönche. Ich wurde mit 18 Jahren Mönch. Wie ein Gymnasiast Mönch wird, nun, das ist eine längere Geschichte. Ich ging in Luzern an das Lateinische Gymnasium. Als ich 15, 16 Jahre alt war, war meine Hauptbeschäftigung das Schachspiel …

Du spieltest Schach? Auch Turniere und Meisterschaften?

Um ehrlich zu sein, gehörte ich zu den zehn führenden Junioren der Schweiz, aber nur für ein Jahr. Mit 18 Jahren bin ich zurückgetreten und habe seither das Schachbrett nie mehr berührt. Ich hatte damals die Literatur und Philosophie entdeckt und wollte mich hierauf konzentrieren. Ich beschäftigte mich mit den alten Hochkulturen, den Indianern, Griechen und Ägyptern. So kam ich auch mit der altindischen („vedischen“) Hochkultur und mit den Sanskrit-Schriften in Kontakt, und diese zeitlosen Offenbarungen faszinierten mich sehr. Es war für mich wie das Entdecken einer Goldmine, und der wollte ich auf den Grund gehen, und aus diesem Grund entschied ich mich dann auch, Mönch zu werden. Es war mir eigentlich schon früh klar gewesen, daß ich in unserer heutigen Gesellschaft einen spirituellen Beitrag leisten möchte. Wann immer ich etwas mache – das ist halt so meine Natur –, mache ich es ganz. Drei Monate vor der Abitur verließ ich die Schule aus Protest gegen den Kurs der heutigen Gesellschaft, ging allein auf Reisen und wurde dann Mönch.

Du hast zwei Bücher geschrieben, die zusammen fast sechshundert Seiten umfassen. Was haben diese Bücher mit Hölderlin zu tun?

Das Lesen von Hölderlins Werken hat mich bestimmt inspiriert, in diesem Stil zu schreiben. Ich verwende zum großen Teil dieselben klassischen Formen, die auch er verwandte. Ich greife sie wieder auf, weil in diesem Zusammenhang die Sprache einen sehr tiefen und auch spirituellen Aspekt bekommt. Dazu behandle ich gewisse Themen, die auch Hölderlin bereits anschnitt, und führe sie weiter aus.

Der Dichter Hölderlin ist ja nicht so einfach zu verstehen. Ein Dichter für Deutschlehrer. Was ist heute für dich so interessant an ihm?

Hölderlin ist sicher nicht nur ein Dichter, der auf die Schulstube beschränkt werden sollte. Das ist vielleicht auch das Mißverständnis im Zusammenhang mit Hölderlin. Sein Werk ist eigentlich sehr aktuell, weil er bewußt für kommende Generationen geschrieben hat. Das hat er selbst schon sehr früh gesagt, zum Beispiel in jenem berühmten Brief, den er 1793, also genau vor 200 Jahren, verfaßte. Dort schrieb er1 : „Ich liebe das Geschlecht der kommenden Jahrhunderte. Denn dies ist meine seligste Hoffnung … – dies, daß ich in unserm Zeitalter die Keime wecke, die in einem künftigen reifen werden.“

Die kommenden Generationen und die besseren Tage – wenn ich mich so umschaue, dann war das ja wohl nichts! Hat er uns gemeint, oder hatte er einfach nur zu große Hoffnungen und Erwartungen?

Nun, das hängt von uns ab, ob er uns gemeint hat oder nicht. Hölderlin war sich sehr wohl bewußt, in welch dunkler Zeit er lebte. Er erfuhr es ja hautnah in seinem persönlichen Leben. Gleichzeitig war er jedoch kein Pessimist. Er war kein Vertreter des No Future. Er bezeichnete seine Zeit, und da gehört auch unsere Zeit dazu, als „Nacht der Götterferne“, sah aber auch in Visionen bereits das Ende dieser Nacht. Deshalb setzte er große Hoffnungen auf die kommenden Generationen.

Der Titel deines Vortrages über Hölderlin lautet „So kam das Wort aus Osten zu uns“. Was hat Hölderlin mit dem Osten zu tun?

Einer der Keime in Hölderlins Werk, auf den ich hinweisen möchte, ist die von Hölderlin vorgezeichnete Erweiterung des abendländischen Horizontes Richtung Osten. Hölderlin erwähnt sogar Indien mehrere Male in seinem Werk und sagt, daß die Vorfahren der europäischen Kulturen ursprünglich aus Indien gekommen seien: „Anfänglich aber sind /Aus Wäldern des Indus … /Die Eltern gekommen.“

Hölderlin – vor zweihundert Jahren – ist der erste, der Asien und Indien in sein Werk mitaufnimmt. Das war damals im christlichen Deutschland doch sehr außergewöhnlich und mutig. Auf jeden Fall versprach ihm das nicht unbedingt die Gunst der Obrigkeit.

Aber Hölderlin war nie in Indien?

Nein, er persönlich war nie in Indien. Er hatte diese Sicht mit mythischer oder intuitiver Vision.

Hölderlin war außerdem ein Zeitgenosse von Schiller, Goethe, Hegel und Schelling, die er alle persönlich kannte. Was hielten die von Hölderlin?

Hölderlin war eine außergewöhnliche Person. Seine Ziele und sein Streben waren immer absolut. Er selbst schreibt: „Der Höchste, der ists, dem wir geeignet sind.“ Und das erwartete er – fast muß man sagen naiv auch von seinen Freunden und vor allem von seinen verehrten Vorbildern, und auch von seinen Lesern, nämlich daß man sein Leben dem Höchsten weiht.

Am Tübinger Stift, am Priesterseminar, das er besuchte, schloß Hölderlin mit Hegel und Schelling Blutsbrüderschaft, und sie versprachen sich ewige Freundschaft zum Preis aller Opfer. Aber nur Hölderlin nahm dieses Versprechen ernst und war auch bereit, die entsprechenden Opfer auf sich zu nehmen. Die anderen waren alle sehr bald einmal bereit, Kompromisse einzugehen und sich in der Gesellschaft beruflich und bürgerlich eingliedern zu lassen: Hegel, Schelling, Herder, Goethe, Schiller. Sie alle unterschätzten oder fürchteten ihren alles fordernden Freund bzw. Verehrer – und Zogen sich von ihm zurück.

Hölderlin erlebte viele Enttäuschungen, Rückschläge, harte Prüfungen, die er alle leidend, aber auch demütig bestand vor allem in der zweiten Hälfte seines Lebens: ohne zu klagen, ohne auf Gott oder die Menschen zornig zu sein, einfach in Erwartung zukünftiger Prüfungen in zukünftigen Leben.

Friedrich Hölderlin, also ein Dichter, Visionär, Vordenker, Außenseiter, Verrückter, ein Genie?

Armin Risi war mit einem Kamerateam auf den Spuren Hölderlins.
  1. Die Zitate sind der dreibändigen Hanser-Ausgabe entnommen (Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke und Briefe, München 1992), die Hölderlins Schriften mit originaler Orthographie und Interpunktion wiedergeben. In den nachfolgenden Artikeln habe ich die Interpunktion und Orthographie, gestützt auf die Stuttgarter Ausgabe, dem heutigen Sprachbild angenähert. (Zum Beispiel Komma vor Relativsätzen oder kommt statt komt, Hause statt Hauße, dies statt diß, schrecklich statt schröklich, fordern statt fodern, usw.

Neues Buch von Armin Risi