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armin-risi.ch · Triskele
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Armin Risi
Philosoph • Autor • Referent
Radikal umdenken – neue Wege und Weltbilder

Elvis als Inspiration

von Armin Risi

An den Moment, wo mich die Todesnachricht von Elvis erreichte, kann ich mich erinnern, als sei es gestern gewesen. Ich war ein fünfzehnjähriger Gymnasiast und damals ein leidenschaftlicher Turnierschachspieler und privat ein Musikfan, der viele Musikstile liebte, aber beim Rock ’n’ Roll der Fünfziger Jahre klang in mir etwas ganz Besonderes an. Die Nachricht, daß Elvis gestorben sei, erschütterte mich einerseits, aber andererseits hatte sie eine tiefgreifende Signalwirkung für mich, fast wie wenn ich einen persönlichen Brief bekommen hätte. War die Musik von Elvis für mich bis dahin eine passive Inspiration und Unterhaltung gewesen, spürte ich, daß nun „wir“, die neue Generation, an der Reihe waren, den positiven Geist dieser Aufbruchstimmung weiterzutragen. In stillen Stunden gehörte auch die Stimme von Elvis zu jenen Quellen, die meinen Mut stärkten, eigene Wege zu gehen. Ich ging diesen Weg konsequent, sogar radikal, und wurde mit 18 Jahren Mönch einer indischen Richtung. Dies bedeutete auch Trennung von meiner Schallplattensammlung, ja sogar von aller „weltlichen“ Musik. Die Kraft und den Mut zu diesem Schritt hatte ich nicht zuletzt von der Inspiration bekommen, die mir diese Musik vermittelt hatte.

Das Mönchsleben dauerte länger, als ich anfänglich jemals gedacht hätte – achtzehn Jahre –, aber es verging kaum ein 17. August, an dem ich mich nicht an die Nachricht erinnerte, die mich „damals“, 1977, mit dieser merkwürdigen Wirkung erreicht hatte.

Seit 1998 lebe ich als freischaffender Schriftsteller und Referent. Die ersten Bücher (zwei Gedichtbände und eine Abhandlung über den deutschen Dichter Friedrich Hölderlin) hatte ich bereits in den Jahren 1992 bis 1995 veröffentlicht.

Im folgenden Buchauszug geht es um eine spirituell-philosophische Betrachtung der Bedeutung der musikalischen Revolution in den fünfziger Jahren, die insbesondere von Elvis, „The King“, ausgelöst wurde. Ich nahm diese Ausführungen in mein Buch Licht wirft keinen Schatten auf, damit Elvis und seine Musik (endlich) auch in einem philosophischen und kulturhistorischen Rahmen gewürdigt wird. Über diesen Text hat ein intellektuelles, esoterisches und akademisches Publikum (schätzungsweise 10’000 Leserinnen und Leser) vielleicht zum ersten Mal das Thema und die Person Elvis ernstgenommen, wie mir vielfach in Rückmeldungen mitgeteilt wurde: „Sehr aufschlußreich – ich hatte dieses scheinbar unphilosophische Thema noch nie aus einer solchen Perspektive betrachtet.“

Es ist mir eine Freude, diesen Text nun auch mit Elvis-Fans teilen zu können.

Armin Risi
(30. Mai 2007)

Auszug aus dem Buch von Armin Risi: Licht wirft keinen Schatten – Ein spirituell-philosophisches Handbuch, erschienen 2004 im Govinda-Verlag Zürich, 4. Auflage 2016, S. 331–333 (mit freundlicher Genehmigung des Govinda-Verlags)
Die musikalische Revolution in den fünfziger Jahren

Durch viele Jahrhunderte hindurch sind Männer und Frauen voneinander entfremdet worden. Ihr Zusammensein wurde durch Religionen und weltliche Mächte „programmiert“ und durch den entsprechenden sozialen Druck kontrolliert. Der Großteil des Volkes hatte weder die geistige Freiheit noch die Bildung, um eine eigene Spiritualität zu leben. Es waren viele Schritte einer kulturellen, musikalischen und spirituellen Emanzipation erforderlich, bis die Menschen wieder eine „private“ Freiheit finden konnten, zumindest in den „aufgeschlossenen“ Ländern.

Richtungsweisende Veränderungen kommen selten von den herrschenden Mächten, sondern von Individuen, die durch eine innere Inspiration heraus neue kreative Impulse in die Welt bringen – und Musik ist eine der intensivsten Ausdrucksformen von Kreativität. Deshalb wurden die Übergänge von einer historischen Epoche in die andere immer von neuen Musikstilen begleitet, wenn nicht sogar initiiert. Ein Beispiel hierfür finden wir in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts, als die Gesellschaft durch eine neue Musik nachhaltig verändert wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren viele heranwachsende Jugendliche – die Kinder der Kriegsgeneration – nicht mehr gewillt, ein Leben nach der Vorgabe der „gutbürgerlichen“, männerdominierten Gesellschaft zu führen. Dieser Unwille machte sich vor allem in den USA breit, denn dort herrschte eine selbstherrliche Siegesstimmung, während Europa und Japan ausgebombt waren und sich um das bloße Überleben bemühen mußten, gefolgt von der Not des Wiederaufbaus. In den USA war die Spannung des Krieges vorbei, dennoch herrschte auch dort in breiten Schichten Armut, insbesondere bei den Schwarzen, aber auch eine zunehmende Anzahl von Weißen kämpfte ums bloße Überleben. In diesem Schmelztiegel durchbrachen einige weiße Jugendliche die Grenzen des Rassismus, wobei der Funke zuerst im Bereich der Musik sprang. Aus der Verschmelzung von Boogie und Rhythm ’n’ Blues mit der weißen Country-Musik entstand ein neuer Musikstil, der in den Jahren 1953/54 von Bill Haley entwickelt wurde. Ab 1954 wurde dieser Stil Rock ’n’ Roll genannt. Die Erwachsenen waren schockiert, daß ihre Kinder plötzlich von „Negermusik“ begeistert waren. Viele weiße Religionsvertreter begannen einen Kriegszug gegen dieses „neuste Machwerk des Teufels“, Prediger, die zehn Jahre zuvor beim Massenmord durch die Atombomben gejubelt oder zumindest geschwiegen hatten.

Die neue Generation durchbrach die heuchlerischen Fassaden des Dogmatismus und des Nationalismus, und wie „auf Abruf“ fühlten sich plötzlich im ganzen Land junge Menschen zum Rock ’n’ Roll berufen, ausgelöst durch das Auftreten von Elvis Presley im Jahr 1954, das für viele eine aufrüttelnde Signalwirkung hatte.

Die Pioniere dieses neuen Stils waren talentierte junge Männer, die aber keine virtuosen und poetischen Höhenflüge anstrebten, sondern eine innere Ungezwungenheit, um sich so ausdrücken zu können, wie sie sich fühlten. Sie sangen simple Texte über ihr Leben und ihre Träume. Vor allem sangen sie ehrlich, was ihr brennendster Wunsch war: lieben und geliebt zu werden. Sie scheuten sich nicht, auch vor aller Welt zuzugeben, daß sie vor Liebeskummer oder Einsamkeit weinen können – was für das „starke Geschlecht“ etwas Neues war, denn bisher hatten Tränen bei Männern als eine peinliche Schwäche gegolten.

An der Kunst dieser jungen Menschen war nichts Intellektuelles und nichts Poetisches im klassischen Sinn. Was sie unbewußt vollzogen, war ein Wechsel von der „linken Hirnhälfte“ zur „rechten“, von der kopfbetonten männlichen Seite („Was denken die anderen?“) zur intuitiven weiblichen Seite, wodurch die wilden und impulsiven Potentiale im Menschen angesprochen wurden. Sie sangen „aus dem Bauch“, Elvis sogar aus der Hüfte! Und alle konnten mittanzen und „aus sich herausgehen“. Was die jugendlichen Zuhörerinnen und Zuhörer durch diese Musik erfahren durften, war für sie etwas vollkommen Neues, etwas, das es in dieser Gesellschaft bis dahin kaum gegeben hatte: ein Gefühl von Ekstase und Befreiung.

Elvis Presley war neunzehn, Buddy Holly siebzehn und Ritchie Valens fünfzehn, als sie mit zwei oder drei Musikerkollegen auf die Bühne gingen und mit Rock ’n’ Roll loslegten. In diesen Anfängen verkörperten die Pioniere einen echten Idealismus und eine unbeschwerte Aufbruchstimmung – und machten sich auch einen Spaß daraus, die verklemmte Erwachsenenwelt zu schockieren. Gleichzeitig sprachen sie etwas in den Herzen der jungen Menschen an, das weit über die bloße Musik und Tanzfreude hinausging. Ihr Charisma und die Wirkung, die sie hatten, verraten, daß es hier um mehr als nur Musik ging. Hier hatten „alte“ Seelen vereinbart, sich gleichzeitig zu inkarnieren, um einen weiteren Schritt in der Transformation der Erde einzuleiten. Es war nicht der erste und auch nicht der letzte Schritt, aber dennoch ein sehr wichtiger.

Liebe, vom wilden Song über Liebeslieder und Balladen bis hin zum Gospel, war das Hauptthema dieser neuen Musik, vor allem bei Elvis Presley (1935–1977). Empfand er den Mangel an Liebe auf der Erde so stark, weil in der Welt, aus der er kam, Liebe die natürliche Realität ist? Fühlte er sich deshalb „hier unten“ nie wirklich zu Hause, vor allem in seinen letzten Jahren?

Buddy Holly (geb. 7. Sept. 1936) war zweiundzwanzig und Ritchie Valens (geb. 13. Mai 1941) siebzehn Jahre alt, als sie bei einem Flugzeugabsturz am 3. Februar 1959 ums Leben kamen, zusammen mit dem Piloten und noch einem anderen Sänger, Jiles P. Richardson, bekannt als „Big Bopper“ (geb. 24. Okt. 1930).

Natürlich bedeutete diese Musik an sich noch keine „Erleuchtung“ oder „Befreiung“. Es geht auch nicht darum, daß einem diese Musik nun persönlich gefallen müßte. Damals wurde jedoch ein Tor geöffnet, durch das in vieler Hinsicht neue Wege zugänglich wurden. Es war nun möglich, den oberflächlichen Materialismus und Puritanismus hinter sich zu lassen und zu einem offenen, freieren Lebensstil zu finden. Viele Menschen waren von dieser neuen Freiheit überfordert und fielen in das andere Extrem, in einen dekadenten Hedonismus und Nihilismus. Aber im offenen Feld zwischen diesen beiden Extremen bestand auch die Möglichkeit, den „goldenen Mittelweg“ zu finden, was vor allem die Aufgabe der nachfolgenden Generationen war (und ist).

Heute ist das ganze breite Spektrum offen: von Dekadenz bis Transzendenz. Wir in unseren Breitengraden haben die Freiheit und auch die Verantwortung, neue Dimensionen des Bewußtseins, der Liebe und der Spiritualität auf die Erde zu bringen, vor allem in Bezug auf die Mann-Frau-Beziehung (nach fünftausend Jahren der Unterdrückung). In großen Teilen der Welt unterstehen Mann und Frau auch heute noch einer Kontrolle durch die eigene Familie, Gesellschaft und Religion. …

(Mit anderen Worten, diese Musik brachte uns neue Freiheiten. Die Frage ist nun: Was machen wir mit dieser Freiheit?)

Neues Buch von Armin Risi