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Diesen Artikel schrieb ich auf Einladung des Elvis-Presley Fanclub (damals: elvispresley-fanclub.de) als Beitrag für das von ihnen zusammengestellte Sonderbuch zum 30. Todestag von Elvis, 2007.
Elvis – nicht von dieser Welt
von Armin Risi
Es ist einfach, sich über Elvis (und seine Fans) lustig zu machen und ihn zu kritisieren. Seine Konzerte waren musikalisch perfekt, aber ab 1970 stagnierten sie zunehmend. Elvis konnte sich musikalisch nicht weiterentwickeln, er war schon mit 35 eine „lebende Legende“, und sein Casino-süchtiger Manager ließ ihn Hunderte von Konzerten pro Jahr absolvieren, damit er (der Manager) genug Geld zum Ausgeben hatte. Elvis liebte sein Publikum, doch „Elvis“ zu sein bereitete Elvis zusehends Mühe. Er meisterte sein Leben nicht, und sein übermäßiger Konsum von Medikamenten ist kein Geheimnis. Man kann die körperliche Auswirkung dieses Konsums bereits in der Zeit von 1972/73 erkennen – und erst recht 1977, im Jahr seines Todes.
Man kann Elvis auf diese Aspekte seines Lebens reduzieren, aber man wird ihm dadurch nicht gerecht und verkennt, ja verpaßt das Wichtigste. Wer Elvis mit Herz hört, spürt, daß es hier nicht nur um seine einmalige Stimme geht oder einfach um gute Unterhaltung. Viele ausgebildete Sänger könnten Lieder wie „Hurt“ und „How Great Thou Art“ ebenfalls mit einer klangstarken Stimme singen, aber es wäre nie dasselbe. Oft wird das Wort „Charisma“ verwendet, um Elvis’ Wirkung zu beschreiben, aber auch das ist nur eine magere Erklärung. Der Kern ist etwas anderes: Elvis berührt diejenigen, die eine Resonanz für das haben, was er den Menschen geben wollte, im Innersten. Er war irgendwie nicht von dieser Welt, und er schien dies immer mehr auch selbst zu spüren.
Während seiner letzten Tournee wurden erstmals seit langem wieder Konzerte professionell (für eine TV-Show) gefilmt: das in Omaha am 19. Juni 1977 und das in Rapid City am 21. Juni 1977. (Sein letztes Konzert fand am 26. Juni in Indianapolis statt.) Diese Konzertaufnahmen sind heute auch auf youtube zu sehen. Elvis sieht ungesund aus, seine Stimme ist aber kraftvoll wie eh und je, doch er hat Mühe mit dem Sprechen, ist manchmal kurz geistesabwesend oder spielt den Geistesabwesenden. Er möchte eigentlich nur eines: für die Menschen singen. Doch er weiß um seine Situation, und man meint zu spüren, er wolle sich verabschieden – von seinem Publikum, von seinen treuen Begleitmusikern, von der Welt (erlaubte er deshalb das Filmen, obwohl er so „schlecht“ aussah?). Er war humorvoll, an einigen Stellen sogar mit Selbstironie#fn:1 – und jenseits von aller Show immer wieder sein stilles, entrücktes Lächeln, wie z. B. am Ende des spontan eingeschobenen Liedes I Really Don’t Want to Know in Omaha.
Elvis berührte die Menschen im Publikum und berührte auch die Menschen in seiner Nähe, die Jahr für Jahr, Tournee für Tournee und Konzert für Konzert mit ihm zusammen waren und seine menschlichen Probleme mitverfolgen konnten. Dennoch begleiteten sie Elvis immer, hielten zu Elvis und liebten Elvis – und spürten aus dem direkten Begegnen und Erleben, daß dieser Mann nicht von dieser Welt war.
So sagt z. B. Jerry Scheff, der Bassist in Elvis’ Tour-Band, rückblickend:
Man kann Elvis auf diese Aspekte seines Lebens reduzieren, aber man wird ihm dadurch nicht gerecht und verkennt, ja verpaßt das Wichtigste. Wer Elvis mit Herz hört, spürt, daß es hier nicht nur um seine einmalige Stimme geht oder einfach um gute Unterhaltung. Viele ausgebildete Sänger könnten Lieder wie „Hurt“ und „How Great Thou Art“ ebenfalls mit einer klangstarken Stimme singen, aber es wäre nie dasselbe. Oft wird das Wort „Charisma“ verwendet, um Elvis’ Wirkung zu beschreiben, aber auch das ist nur eine magere Erklärung. Der Kern ist etwas anderes: Elvis berührt diejenigen, die eine Resonanz für das haben, was er den Menschen geben wollte, im Innersten. Er war irgendwie nicht von dieser Welt, und er schien dies immer mehr auch selbst zu spüren.
Während seiner letzten Tournee wurden erstmals seit langem wieder Konzerte professionell (für eine TV-Show) gefilmt: das in Omaha am 19. Juni 1977 und das in Rapid City am 21. Juni 1977. (Sein letztes Konzert fand am 26. Juni in Indianapolis statt.) Diese Konzertaufnahmen sind heute auch auf youtube zu sehen. Elvis sieht ungesund aus, seine Stimme ist aber kraftvoll wie eh und je, doch er hat Mühe mit dem Sprechen, ist manchmal kurz geistesabwesend oder spielt den Geistesabwesenden. Er möchte eigentlich nur eines: für die Menschen singen. Doch er weiß um seine Situation, und man meint zu spüren, er wolle sich verabschieden – von seinem Publikum, von seinen treuen Begleitmusikern, von der Welt (erlaubte er deshalb das Filmen, obwohl er so „schlecht“ aussah?). Er war humorvoll, an einigen Stellen sogar mit Selbstironie#fn:1 – und jenseits von aller Show immer wieder sein stilles, entrücktes Lächeln, wie z. B. am Ende des spontan eingeschobenen Liedes I Really Don’t Want to Know in Omaha.
Elvis berührte die Menschen im Publikum und berührte auch die Menschen in seiner Nähe, die Jahr für Jahr, Tournee für Tournee und Konzert für Konzert mit ihm zusammen waren und seine menschlichen Probleme mitverfolgen konnten. Dennoch begleiteten sie Elvis immer, hielten zu Elvis und liebten Elvis – und spürten aus dem direkten Begegnen und Erleben, daß dieser Mann nicht von dieser Welt war.
So sagt z. B. Jerry Scheff, der Bassist in Elvis’ Tour-Band, rückblickend:
„Elvis was a true musician and a true vocalist. When he sang I really believe the lyrics went through his mind, then through his heart and then came out of his mouth.“#fn:2
Das eindrücklichste Zeugnis stammt von John Daniel (J. D.) Sumner, dem Leiter des Gospel-Quartetts The Stamps. J. D. Sumner (1925-1998) war der Mann mit der tiefsten Baßstimme und wurde sogar im Guinness-Buch der Rekorde eingetragen. J. D. Sumner and the Stamps Quartett hatten eine eigene erfolgreiche Karriere, doch begleiteten sie Elvis bei all seinen Konzerten als Hintergrundsänger, bis zu seinem letzten Konzert am 26.6.1977. J. D. Sumner, ein undogmatischer, aber tiefreligiöser Mann, sah die vielen Krisen in Elvis’ Leben, aber er sah dahinter immer den Menschen Elvis und die Seele von Elvis. Ein Tag nach Elvis’ Tod sagte er, einer der führenden Gospel-Sänger der USA, vor Millionen von Fernsehzuschauern in tiefer Betroffenheit:
„The only thing I can say: Beside Jesus Christ there is no greater man that ever lived, in any respect, in loving his friends, in loving the world, in giving the world – there is no way to express it. Besides Jesus Christ he is the greatest man I ever knew.“
J. D. Sumner war bei der Beerdigung von Elvis einer der Sargträger und schrieb kurz danach einen poetischen Nachruf mit dem Titel Elvis Has Left the Building, den er als Sprechgesang auf einer Single-Schallplatte veröffentlichte:
The time was 1935, the place Tupelo, Mississippi.
God sent this world a baby boy, who was born in poverty.
And as a boy he wondered what would be his destiny.
His life was to be busy, and things would happen that even he couldn’t believe.
He had so much to give, yet very little to receive.
He started with a song and a wiggle
and some people couldn’t understand.
But you and I now know that it was all in God’s plan.
(…)
We demanded, not understanding, that he’d give to us his all.
He tried to do what we wanted, for the big and the small.
The demand for his records, or to have a glimpse, or touch his hand,
bit by bit, this took its toll,
for even he was just a man.
Oh yeah, he was very happy living
and he wasn’t afraid to die.
Even now, though our hearts are broken,
he wouldn’t want us to cry.
God in all of his wisdom, even though he loved Him so,
He knew what was best.
We don’t understand it: but it was time for him to go.
(…)
Precious memories
flood my soul.
God sent this world a baby boy, who was born in poverty.
And as a boy he wondered what would be his destiny.
His life was to be busy, and things would happen that even he couldn’t believe.
He had so much to give, yet very little to receive.
He started with a song and a wiggle
and some people couldn’t understand.
But you and I now know that it was all in God’s plan.
(…)
We demanded, not understanding, that he’d give to us his all.
He tried to do what we wanted, for the big and the small.
The demand for his records, or to have a glimpse, or touch his hand,
bit by bit, this took its toll,
for even he was just a man.
Oh yeah, he was very happy living
and he wasn’t afraid to die.
Even now, though our hearts are broken,
he wouldn’t want us to cry.
God in all of his wisdom, even though he loved Him so,
He knew what was best.
We don’t understand it: but it was time for him to go.
(…)
Precious memories
flood my soul.
Daß die Menschen, die Elvis musikalisch nah waren, Elvis liebten, zeigte sich auch noch viel später, als sie alle bei seinem 20. Todestag in Memphis wieder zusammenkamen, um ein Konzert zu geben wie damals in den 1970er Jahren: Elvis sang (nun von der Leinwand), und sie begleiteten ihn live. Und danach folgten viele weitere dieser aufsehenerregenden Konzerte – was ebenfalls einen Guinness-Buch-Eintrag gab: „Der erste verstorbene Star auf Welttournee“ (siehe elvis.com).
Ich sah Elvis – The Concert 2001 und 2003 in Zürich, und es war zu spüren: Diese mittlerweile gealterten Musiker und Begleitsängerinnen und -sänger tun dies nicht einfach wegen des Geldes, sondern aus Liebe zu Elvis, weil es immer Elvis’ Wunsch gewesen war, auch außerhalb der USA Konzerte zu geben, und weil sie Elvis zu den Menschen bringen wollen.
Im Lied One Night gibt es die Zeile: „Just call my name, and I’ll be right by your side.“ Als beim 2001-Konzert in Zürich Elvis auf der Leinwand „Just call my name“ sang, riefen die drei Sängerinnen von The Sweet Inspirations spontan: Elvis, Elvis, und es war, als sei es tatsächlich so, wie er sang: „… and I’ll be right by your side.“ Als die Lieder In the Ghetto, American Trilogy und How Great Though Art kamen, flossen bei den meisten der anwesenden 10’000 Zuschauerinnen und Zuschauer die Tränen. Wir waren zutiefst berührt – von der Stimme, von der Feierlichkeit, von der Liebe, die uns alle ergriff. Und von dem tiefen Gefühl, das Elvis in uns wachrief: daß auch wir nicht von dieser Welt sind. Wir sind in der Welt, aber nicht von der Welt – und Elvis ließ uns dies spüren, vor allem als er selbst von dieser Welt ging – vor nunmehr 30 Jahren.
Wir alle, die alt genug sind, um uns an diesen Tag zu erinnern, wissen noch genau, wo wir waren, als wir die Meldung von Elvis’ Tod hörten. Ist es eine Übertreibung zu sagen, daß die Welt (zumindest für uns) danach nicht mehr so war wie zuvor? Für mich, den damals Fünfzehnjährigen, kann ich dies mit Gewißheit sagen. Es war wie ein Signal, ein wake-up call: „Jetzt seid ihr dran! Es geht nicht mehr nur um entertainment oder darum, meine Musik oder auch mich ,geil‘ zu finden.“
Lassen wir uns also im Innersten berühren, von Elvis und auch von anderer Musik, von Kunst, von Poesie, von anderen Menschen, von der Natur, von Gott. Elvis, im Gegensatz zu einigen seiner Nächsten, ist nie in eine „Sekte“ eingetreten, obwohl verschiedene Gruppierungen wollten, er würde sich ihnen verschreiben. Hier blieb er immer sich selbst, egal was andere über ihn dachten oder sagten, und lebte seine eigene Berufung und Berührtheit aus seinem Innersten heraus.
He Touched me.
Dieses Lied sangen die verbliebenen und neuen Mitglieder von J. D. Sumners Stamps Quartett auf der 2001-Tournee jeweils nach der Pause, als Auftakt zur zweiten Hälfte von Elvis – The Concert: „ ‚He Touched me‘ – one of Elvis Presley’s favorite gospel songs.“
J. D. Sumner: Elvis has left the building
John Daniel Sumner, born 19 November 1925, Lakeland, Florida, USA, died 16 November 1998, Myrtle Beach, USA. A pioneer of gospel music, songwriter J. D. Sumner has over 500 compositions credited to his name, and in 1983 was inducted into the Gospel Music Hall of Fame. He began his career as a member of the Sunny South Quartet, building a name on the southern gospel circuit and forming his own quartet. He worked with both the Sunshine Boys and the Blackwood Brothers before taking over gospel outfit the Stamps in 1962. The Stamps performed alongside Elvis Presley throughout the early 70s and recorded widely. …)
Siehe auch: Elvis als Inspiration
Ich sah Elvis – The Concert 2001 und 2003 in Zürich, und es war zu spüren: Diese mittlerweile gealterten Musiker und Begleitsängerinnen und -sänger tun dies nicht einfach wegen des Geldes, sondern aus Liebe zu Elvis, weil es immer Elvis’ Wunsch gewesen war, auch außerhalb der USA Konzerte zu geben, und weil sie Elvis zu den Menschen bringen wollen.
Im Lied One Night gibt es die Zeile: „Just call my name, and I’ll be right by your side.“ Als beim 2001-Konzert in Zürich Elvis auf der Leinwand „Just call my name“ sang, riefen die drei Sängerinnen von The Sweet Inspirations spontan: Elvis, Elvis, und es war, als sei es tatsächlich so, wie er sang: „… and I’ll be right by your side.“ Als die Lieder In the Ghetto, American Trilogy und How Great Though Art kamen, flossen bei den meisten der anwesenden 10’000 Zuschauerinnen und Zuschauer die Tränen. Wir waren zutiefst berührt – von der Stimme, von der Feierlichkeit, von der Liebe, die uns alle ergriff. Und von dem tiefen Gefühl, das Elvis in uns wachrief: daß auch wir nicht von dieser Welt sind. Wir sind in der Welt, aber nicht von der Welt – und Elvis ließ uns dies spüren, vor allem als er selbst von dieser Welt ging – vor nunmehr 30 Jahren.
Wir alle, die alt genug sind, um uns an diesen Tag zu erinnern, wissen noch genau, wo wir waren, als wir die Meldung von Elvis’ Tod hörten. Ist es eine Übertreibung zu sagen, daß die Welt (zumindest für uns) danach nicht mehr so war wie zuvor? Für mich, den damals Fünfzehnjährigen, kann ich dies mit Gewißheit sagen. Es war wie ein Signal, ein wake-up call: „Jetzt seid ihr dran! Es geht nicht mehr nur um entertainment oder darum, meine Musik oder auch mich ,geil‘ zu finden.“
Lassen wir uns also im Innersten berühren, von Elvis und auch von anderer Musik, von Kunst, von Poesie, von anderen Menschen, von der Natur, von Gott. Elvis, im Gegensatz zu einigen seiner Nächsten, ist nie in eine „Sekte“ eingetreten, obwohl verschiedene Gruppierungen wollten, er würde sich ihnen verschreiben. Hier blieb er immer sich selbst, egal was andere über ihn dachten oder sagten, und lebte seine eigene Berufung und Berührtheit aus seinem Innersten heraus.
He Touched me.
Dieses Lied sangen die verbliebenen und neuen Mitglieder von J. D. Sumners Stamps Quartett auf der 2001-Tournee jeweils nach der Pause, als Auftakt zur zweiten Hälfte von Elvis – The Concert: „ ‚He Touched me‘ – one of Elvis Presley’s favorite gospel songs.“
J. D. Sumner: Elvis has left the building
John Daniel Sumner, born 19 November 1925, Lakeland, Florida, USA, died 16 November 1998, Myrtle Beach, USA. A pioneer of gospel music, songwriter J. D. Sumner has over 500 compositions credited to his name, and in 1983 was inducted into the Gospel Music Hall of Fame. He began his career as a member of the Sunny South Quartet, building a name on the southern gospel circuit and forming his own quartet. He worked with both the Sunshine Boys and the Blackwood Brothers before taking over gospel outfit the Stamps in 1962. The Stamps performed alongside Elvis Presley throughout the early 70s and recorded widely. …)
Siehe auch: Elvis als Inspiration
- Zum Beispiel bei der Ansage von That’s All Right Mama in Omaha: „I was a mere babe in arms – still am“, oder beim gesprochenen Teil in Are You Lonesome Tonight in Rapid City: „You know someone said the world’s a stage and each must play his part. They had me hit[?] and play and blablablablablabla - plus tax“! Kurz danach, immer noch im gesprochenen Teil: „Honey – [zur Seite:] whom am I talking to? – you lied when you said you loved me …“ Und ebenfalls im Rapid-City-Konzert: „We did a movie called Blue Hawaii, and in the movie there was a song called The Hawaiian Wedding Song, and it was so real it took me two years for realizing it was just a movie.“
- im Bonus-Film Patch It Up auf der DVD Elvis: That’s The Way It Is
© 1992 – 2024 Armin Risi
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